Die Anwendung der Mikrowellen begann bereits vor 82 Jahren, und zwar als
Flugzeugradare, erst später kamen sie dann auch zum Erhitzen von
Lebensmitteln zum Einsatz. Inzwischen werden Mikrowellen in weiteren
verschiedenen Bereichen eingesetzt. Analysiert man aus 50 verschiedenen
Fachzeitschriften die Anzahl der Publikationen in einem Zeitfenster von
1962 bis 2022 zur Mikrowellentechnologie, so ist eine Zunahme der
Veröffentlichungen bei der Extraktion um das 85-fache und bei der
Synthese um das 90-fache zu erkennen.
Die Mikrowellentechnologie gewinnt zunehmend an Bedeutung und zeigt sich
als umweltschonende, energieeffiziente Alternative zu den klassischen
Soxhlet-Extraktionen. Besonders bei der Isolation von pharmazeutischen
Wirkstoffen sieht man in der pharmazeutischen Industrie inzwischen viele
Vorteile. Aber nicht nur die Extraktion, sondern auch die Synthese von
Wirkstoffen mittels Mikrowellen sind für die Industrie von Interesse. So
beschäftigt man sich bei dem Unternehmen Abacus Analytical Systems
neben der Methodenentwicklung der analytischen Chemie insbesondere mit
der Raman-Spektroskopie in der pharmazeutischen Industrie. Spezielle
Sensoren machen einen Einblick während der Synthesen möglich und geben
somit ergänzende Informationen zum Syntheseverlauf.
Synthesen mit Mikrowellen
Mikrowellen sind
hochfrequente elektromagnetische Wellen, die durch ein Magnetron bzw.
auf einen Halbleiter basierende Mikrowellengenerator erzeugt werden und
eine punktgenaue Energieübertragung in den Reaktionsraum ermöglichen.
Die Ausbeute der Hauptprodukte wird kontinuierlich durch UV/VIS- und
Raman-Spektroskopie im Reaktionsgefäß und den Fraktionssammler
aufgezeichnet und abgespeichert. Die Reaktionsbedingungen können vom
Labor direkt auf einen industriellen Maßstab übertragen werden. Mit der
Vielfalt der variablen Parameter wie Frequenz, Druck und Temperaturen
und mit Hilfe eines begleitenden spektroskopischen Monitorings können
die Extraktionen und die Synthesen optimiert werden.
Mikrowellentechnologie in Ausbildung und StudiumGrundlagen
der physikalischen, organischen und anorganischen Chemie können von
Dozenten auch beim Einsatz von Mikrowellensystemen praxisnah vermittelt
werden. In den Forschungslaboren der naturwissenschaftlich-technischen
Akademie (nta) in Isny wurden zur Ausbildung Mikrowellensysteme
etabliert. Seit 2011 wurde bereits die Mikrowellentechnologie sowohl
theoretisch als auch experimentell Bestandteil des Lehrplans. Durch
Kooperationen mit der Industrie konnten neben den klassischen
Lehrtätigkeiten auch spezifische Projekte durchgeführt werden. Die
Dozenten und Professoren erfreuten sich einer großen Anzahl von
Auszubildenden, die damit schon mal in industrielle Anwendungen
hineinschnuppern konnten. Die Ergebnisse der Abschlussarbeiten aus dem
Forschungslabor und der Industrie wurden in verschiedenen Medien
veröffentlicht.
Für eine
gelungene Kooperation der Akademie mit der Industrie stehen beispielhaft
die Synthesen von Acetylsalicylsäure (Aspirin) und
N-Acetyl-4-aminophenol (Paracetamol) mittels der Mikrowellentechnologie.
Paracetamol zählt zu den weitesten verbreiteten Arzneimitteln und ist
als schmerzlindernder und fiebersenkender Arzneistoff aus der Gruppe der
Nichtopioid-Analgetika heute nicht mehr wegzudenken. Bei der WHO wird
er daher als unentbehrlicher Arzneistoff geführt. Ebenso ist die
Acetylsalicylsäure aus der Gruppe der Salicylate ein Entzündungshemmer
mit schmerzlindernden und fiebersenkenden Eigenschaften. Zusätzlich
hemmt Acetylsalicylsäure die Thombozytenaggregation und wird daher
häufig prophylaktisch zur Blutverdünnung eingesetzt, um das Risiko von
Schlaganfällen zu minimieren.
Die von den Auszubildenden mit Hilfe der
Mikrowellentechnologie hergestellten Arzneistoffe Paracetamol und
Aspirin erreichten eine Ausbeute von ca. 90%, bei einer gleichzeitigen
Synthesezeit von 30 - 45 Minuten. Danach wurde die Qualität der Produkte
mittles H-NMR-, FT-IT- und Ramanspektroskopie überprüft. Die
Auszubildenden arbeiteten selbstständig und hatten großes Interesse an
der Interpretation der Ergebnisse. Durch internationale Kooperationen
der nta wurden die so gewonnenen Erkenntnisse auf internationaler Ebene
weiter kommuniziert, was dazu beitrug, den Standort Isny ebenfalls für
ausländische Interessenten attraktiv zu machen.
Die
Wichtigkeit der praxisnahen Ausbildung und des Experimentierens im
Unterricht beschreibt bereits Konfuzius: „Erzähle es mir und ich werde
es vergessen. Zeige es mir und ich werde mich erinnern. Lass es mich tun
und ich werde es behalten.“ Der Einsatz moderner Methoden im
Experimentalunterricht kann dazu beitragen, dass Auszubildende oder
Studenten später dem Anforderungsprofil der Industrie gerecht werden.
Dieses Beispiel verdeutlicht, wie Innovation in Forschung, Industrie und
Lehre konkret gelingen kann.
AUTOREN
Prof. Dr. Gerald Grübler, Ursula Steiner, Dr. Eberhard Heller
Strategische Beratung in Research & Development
Hans C. Zimmermann Abacus Analytical Systems GmbH
www.abacus-lab.com
Marcel Mallah Fricke und Mallah Microwave Technology GmbH
www.microwaveheating.net